Marcel Pino 13. November
Employer Branding als Wettbewerbsvorteil im Recruiting
Employer Branding als Wettbewerbsvorteil im Recruiting

(Lesezeit: ca. 10 Minuten)

Die Zahlen für den ansteigenden Fachkräftemangel in Deutschland sprechen für sich: Laut einer Auswertung von Statista konnten im Jahr 2022 rund 845.000 offene Stellen nicht besetzt werden. Stellenanzeigen, Active Sourcing & Co scheinen nicht mehr den Erfolg zu bringen, der einige Jahre zuvor noch für viele Unternehmen funktioniert hat. Ein Großteil der Angestellten befindet sich bereits in einer Festanstellung bei Unternehmen, in denen sie meist noch zufrieden sind. Warum sollten Mitarbeiter also zu einem anderen Unternehmen wechseln, mit dem verbundenen Risiko, dass der neue Arbeitgeber dann doch nicht den eigenen Vorstellungen entspricht?

Die zunehmende Bedeutung einer Employer Brand

Neue Mitarbeiter müssen, wie beim Kauf von Produkten oder Dienstleistungen, erst einmal davon überzeugt werden, dass ein Jobwechsel die richtige Entscheidung ist. Um neue Mitarbeiter von einem Wechsel zu überzeugen, ist in den vergangenen Jahren ein Trend aus dem Marketing in den Personalabteilungen angekommen: Die Markenbildung eines Unternehmens bzw. Employer Branding. Wie im Marketing geht es beim Employer Branding um die Schaffung einer Marke (Brand), die authentisch und glaubwürdig auf allen Kommunikationsmitteln individuelle Unternehmensbotschaften verbreitet. Durch ihre Einzigartigkeit und den mit der Marke assoziierten Emotionen sollen Mitarbeiter anschließend zu einer Bewerbung motiviert werden und das Unternehmen dem Wettbewerb vorziehen. Außerdem hilft Employer Branding ebenfalls bei der Mitarbeiterbindung und verringert dadurch die Fluktuation. Denk nur mal an die Produkte von Apple. Warum würdest du dieses Produkt einem anderen vorziehen, obwohl es deutlich teurer ist? Weil das Unternehmen gezielt kommuniziert, was du beim Abschluss des Kaufes bekommst: Ein Premium Produkt eines renommierten Herstellers, dass in dir ein besonderes Gefühl von Prestige auslöst. Und wenn die Marke ihr Werteversprechen hält, bist du dazu bereit weitere Produkte des Unternehmens zu erwerben. Genau so verhält es sich auch mit Mitarbeitenden eines Unternehmens.

Die Entwicklung einer Employer Brand

Als Ausgangspunkt jeder Markenbildung steht die Frage nach der Identität und den Werten eines Unternehmens. Der Employer Value Proposition (EVP) eines Unternehmens ist wie der Unique Selling Point (USP) eines Produktes, sprich: das einzigartige Verkaufsversprechen an den Konsumenten.

  • Was macht das Unternehmen einzigartig und wodurch sticht es heraus?
  • Für welche Werte steht das Unternehmen und was ist die langfristige Vision?
  • Warum sollten bestehende Mitarbeiter in dem Unternehmen bleiben und warum sollten neue Mitarbeiter anfangen?
  • Was macht der Wettbewerb und wie grenzt sich das Unternehmen von ihm ab?

Sind diese Fragen geklärt, gilt es nur noch diese Werteversprechen als Botschaft an die gewünschte Zielgruppe auf verschiedenen Personalmarketingkanälen zu verbreiten. Im Laufe der Jahre haben sich hierzu viele Content Ansätze etabliert, die vor allem durch gezieltes Storytelling in Text, Bild oder Video publiziert werden. Aber auch die Verbreitung durch die eigenen internen Mitarbeiter, die als Markenbotschafter fungieren, nimmt weiter an Bedeutung zu.

Auswahl der Personalmarketingkanäle

Ein Unternehmen sollte prinzipiell auf sämtlichen Personalmarketing-Kanälen vertreten sein, um ein einheitliches Gesamtbild des Unternehmens an die Zielgruppe zu kommunizieren. Insbesondere bei Recruiting Kampagnen sollten mehr als nur ein Kanal bespielt werden, sodass Menschen die Botschaft durch unterschiedliche Maßnahmen wahrnehmen und eine gewisse Kontinuität besteht. Glaubwürdigkeit und Wahrnehmung einer Marke steigen mit jedem Mal, in dem Unternehmen ein einheitliches Gesamtbild vermitteln.

Die klassischen Online Jobportale wie z. B. Indeed, Stepstone oder Monster eignen sich hervorragend, um auf die Suche nach Kandidaten zu gehen. Sie sind die Hauptanlaufstelle für Jobsuchende und bieten eine Große Auswahl an Bewerbern. Allerdings eigenen sich diese Kanäle nur bedingt, um die eigene Employer Brand und die Botschaft bei der Zielgruppe der passiv suchenden Kandidaten zu platzieren. Viele der Top-Kandidaten sind nicht aktiv auf Jobsuche und müssen auf anderen Personalmarketingkanälen von Unternehmen erreichen werden.

Idealerweise überzeugen Unternehmen diese Menschen dort, wo sie einen Großteil ihrer Zeit verbringen: Auf den sozialen Medien. Instagram, Facebook, Youtube, TikTok, Twitter, LinkedIn und Xing eignen sich perfekt, um Werbeanzeigen zu veröffentlichen und dadurch einerseits das Unternehmen zu präsentieren, andererseits auch, um durch einzigartigen Content zu überzeugen und die eigenen Unternehmenswerte zu kommunizieren. Die klassischen Print Medien (Zeitung, Zeitschrift, Plakate etc.) sowie Radio- und Fernsehwerbung können ergänzend mitwirken. Sie sind allerdings vergleichsweise teuer und haben einen erheblichen Streuverlust. Außerdem lohnt es sich die Arbeitgebermarke bereits frühzeitig an Berufsanfänger zu kommunizieren. Diese werden eventuell im späteren Verlauf ihrer Karriere noch einmal auf das Unternehmen aufmerksam wie bspw. durch das Engagement von Mitarbeitern an Hochschulen und auf Berufsschul- oder Jobmessen.

Content als Schlüssel zur Kommunikation

Durch die Erstellung von einzigartigem Content vermitteln Unternehmen Aufmerksamkeit für die eigene Werte und die Unternehmenskultur an die Zielgruppe. Diese Inhalte können informativ, unterhaltsam oder inspirierend gestaltet sein und gibt potenziellen Kandidaten ein Gefühl davon, wie es sein könnte in dem Unternehmen zu arbeiten. Innerhalb dieser Inhalte ist es wichtig die Menschen durch einen stimmigen Außenauftritt zu erreichen. Dieser sollte überzeugend und einheitlich auf allen Personalmarketingkanälen abgestimmt und verbreitet werden. Denn wie bereits oben erwähnt: Eine Recruiting Kampagne, die nicht auf allen Kanälen eine gewisse Kontinuität aufweist, wirkt unglaubwürdig und verfehlt ihre Wirkung.

Mitarbeiter als Markenbotschafter

Doch das wichtigste Kriterium für eine erfolgreiche Employer Brand sind wohl die eigenen Mitarbeiter. Menschen vertrauen Menschen. Und wer könnte glaubwürdiger über ein Produkt, eine Dienstleistung oder in diesem Fall über ein Unternehmen sprechen als Mitarbeiter, die eigene Erfahrungen gemacht haben und sie mit anderen teilen? Daher gilt für Unternehmen ihre Mitarbeiter aktiv in Recruiting-Kampagnen einzubinden und sie als Botschafter für die eigene Marke zu nutzen. Mitarbeitervideos und -interviews sind dabei hervorragende Tools, um die Erfahrungen und Statements von Mitarbeitern Online zu verbreiten. Hierbei können einzigartige und persönliche Geschichten (Storytelling) der Mitarbeiter den Unternehmen zu mehr Authentizität verhelfen. Aber auch ehemalige Mitarbeiter haben die Möglichkeit ihre Erfahrungen mit einem Unternehmen Online zu teilen. Auf den Plattformen Kununu, Trustpilot oder auch bei den Google Rezensionen finden sich Bewertungen über Unternehmen, die ausschlaggebend für eine positive Außenwahrnehmung und damit für einen attraktiven Arbeitgeberauftritt sein können. Sogar bei negativen Bewertungen, haben Unternehmen immer das Potenzial Schwachstellen zu identifizieren und ihre Marke zu optimieren.

Erfolgsmessung der Employer Branding Maßnahmen

Alles steht und fällt mit einer entsprechenden Erfolgsmessung der Maßnahmen, die Unternehmen umsetzen sowie die anschließende Optimierung. Das betrifft Employer Branding Maßnahmen ebenso wie auch z. B. Marketing- oder Vertriebsmaßnahmen. Ohne eine konkrete Aussage über Erfolg oder Misserfolg arbeiten Unternehmen im Dunkeln und verpulvern womöglich viel Geld an den falschen Stellen. Mit verschiedenen Recruiting- und Mitarbeiterbezogenen Kennzahlen lassen sich die Maßnahmen bewerten.

Recruitingbezogene Kennzahlen

Offer-Acceptance-Rate

Die Offer-Acceptance-Rate beschreibt das Verhältnis zwischen Jobangebote an Kandidaten und tatsächlich unterschriebenen Arbeitsverträgen. Eine starke Arbeitgebermarke verstärkt den Wunsch der Kandidaten für das Unternehmen zu arbeiten und führt zu mehr akzeptierten Jobvorschlägen.

Time-to-Hire

Time-to-Hire ist die Zeit, die ein Unternehmen braucht, um Stellen zu besetzen. Bei erhöhter Wahrnehmung als attraktiver Arbeitgeber, steigt auch das Interesse für Stellenangebote. Dies erhöht wiederum die Anzahl der Bewerbungen und dadurch die Chance auf geeignete Kandidaten die zügig eingestellt werden können.

Cost-per-Hire

Eine der wichtigsten Kennzahlen im Recruiting ist der Cost-per-Hire, also die Kosten die für eine Stellenbesetzung notwendig sind. Hierzu zählen nicht nur die Kosten für eine Stellenanzeige, sondern auch Personalkosten wie z. B. die aufgewendete Arbeitszeit, die in jeden Bewerber für die jeweilige Position gesteckt werden muss. Fehlt den Unternehmen eine gewisse Bekanntheit oder sind in der Öffentlichkeit in Verruf, können für Schlüsselpositionen erhebliche Summen anfallen.

Mitarbeiterbezogene Kennzahlen

Fluktuationsrate

Das interne Employer Branding lässt sich gut an der Fluktuationsrate erkennen. Wie hoch ist die Anzahl an Mitarbeitern, die in einem definierten Zeitraum das Unternehmen verlassen? Die Fluktuationsrate gibt Auskunft über die Mitarbeiterbindung. Bei einer erfolgreichen Employer Brand ist sie gering und führt zu sinkenden Kosten durch weniger Neueinstellungen.

Mitarbeiterzufriedenheit

Durch interne Befragungen können Unternehmen die generelle Zufriedenheit von Mitarbeitern in Bezug zur Unternehmenskultur herausfinden. Deckt sich die Wahrnehmung der Mitarbeiter durch das was von der Geschäftsführung vorgegeben wurde, ist das ein Zeichen für den Erfolg der Employer Branding Maßnahmen.

Arbeitgeberbewertungen

Auch Bewertungen eines Unternehmens z. B. auf der Plattform Kununu kann als Kennzahl herangezogen werden. Sie geben einen Eindruck von dem Gesamtpaket, dass das Unternehmen als Arbeitgeber liefert und an welchen Punkten Optimierungsbedarf herrscht.

Optimierung der Ergebnisse

Ein kontinuierliches Tracking und Auswertung der Employer Branding Maßnahmen sind unerlässlich. Anhand der erhobenen Daten können entweder die Strategie angepasst oder im Falle eines Erfolgs weiter optimiert werden. Die Bewertung der Ergebnisse sollte, gerade beim Rekrutieren neuer Kandidaten, immer in Bezug auf die Personalmarketingkanäle erfolgen. Welcher Kanal hat eine hohe Einstellungsquote und welcher nicht? Kann ein nicht funktionierender Kanal optimiert werden oder zeigt sich hier kein Potenzial? Die Effektivität der Kanäle zu messen bietet den enormen Vorteil das eingesetzte Budget effizient zu nutzen. Befragungen unter Bewerbern und Mitarbeitern können ebenfalls zeigen, über welchen Kanal das Interesse geweckt wurde und was sie letztendlich von einer Bewerbung überzeugt hat. 

 

* Für eine bessere Lesbarkeit wird im vorliegenden Artikel nur das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mit gemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.